Das Thema Essen und Kind hat mich schon so manche schlaflose Nacht gekostet. Ganz zu Beginn meines Mamaseins hatten wir Stillprobleme. Nach und nach haben wir diese aber in den Griff bekommen und so haben wir die Stillzeit sehr genießen können. Mit 6 Monaten konnte Junior nichts mehr davon abhalten, am Tisch nach unserem Essen zu greifen – auch nicht, dass der Junge Mann zu dieser Zeit nicht frei sitzen konnte. Das mit dem Plan und der Wirklichkeit kennt ihr ja alle, oder?

Bei uns sah das folgendermaßen aus: Wir wollten mit Junior Baby lead weaning machen. Also die sogenannte selbstgeführte Beikost in Stücken – dazu weiterhin stillen, bis das Baby die Nahrung ganz zersetzten kann und davon satt wird.  Das bedeutet weg vom Brei und dem Kind Nahrungsmittel anbieten, die es sich selbstständig in den Mund stecken und probieren kann. Tja,… so war der Plan. In der Praxis sah das so aus, dass Junior am zweiten Tag, ein großes Stück gedämpfte Karotte abbiss und danach einen Wutanfall bekam, weil er beim nächsten Biss (ohne auch nur einen Zahn) nichts mehr abbekam.

Wir versuchten das Ganze eine Woche lang und sind dann auf selbstgekochte Breikost umgestiegen. Es gab also zu den Hauptmahlzeiten Brei und dazu bzw. danach und dazwischen Stücke zum Selbstessen. 4 – 6 Wochen funktionierte das Ganze ganz gut. Dann begann eine Phase in der sich Junior einfach nie und damit meine ich nie! von alleine aufhörte zu Essen. Er aß bis 500g Brei zur Mahlzeit und danach Kartoffelstücke oder ähnliches. Er aß und aß und aß – und nahm nicht zu. Mit 10 Monaten aß er so gut wie alles vom Tisch mit. (Natürlich mit den Voraussetzungen für Babys). Mit 11 Monaten hatte er sich selbst abgestillt. Und damit begann unser eigentliches Drama.

5 Monate lang drehte sich hier alles nur um das Thema Essen. Junior aß und aß und aß. Er war der erste der mit einer Mahlzeit begann und der letzte der damit aufhörte – das aber auch nur, wenn die Töpfe leer waren (und dann meistens mit Geschrei). Was zuerst noch ganz lustig war, entwickelte sich nach und nach zu einem Problem für die ganze Familie. Wenn wir irgendwo zu Besuch waren, schauten alle nur auf unseren Sohn und sein Essverhalten. Sobald sein Teller leer war, forderte er mehr. Wenn es nichts mehr gab, schrie er. Gefühlt war ich den ganzen Tag am Essen richten oder am überlegen was ich denn als nächstes für ihn bereitstellen könnte. Beim Gespräch mit dem Kinderarzt – wir einem traumhaften Kinderarzt – meinte dieser wir sollten das Ganze weiter beobachten und evtl. einen Essensplan (mit Gramm zahlen) führen. Irgendwann war ich so verzweifelt, dass ich das tatsächlich gemacht habe.

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Essen wurde für uns zum Stress. Mein Mann bespaßte Junior, dass ich das Essen in Ruhe auf den Tisch stellen konnte. Wir begannen zu Essen und mein Mann und ich schlangen das Essen hinunter. Einfach nur, damit wir etwas im Magen hatten, bevor das Geschrei, bei Junior wieder los ging. Der kleine Mann aß bei jeder Mahlzeit mehr als ich! Bei jeder Mahlzeit ausnahmslos!

Wo er Menschen mit Essen sah, wollte er auch sofort etwas. Egal ob Apfel, Blaubeeren, Karotte, Oliven, Eis, Brot,… Aufzählung lässt sich durch jedes x – beliebige Nahrungsmittel ergänzen. Meine Nerven waren am Ende. Ich hatte die große Angst, dass Essen zu einem Stressfaktor für uns alle wird und sich das System manifestiert. „Wenn das so weitergeht, tragen wir alle einen psychischen Schaden und eine Essstörung davon“ So lauteten meine Worte beim Arztgespräch.
Er verstand mich und meine Sorgen, dazu kam, dass Junior einfach nicht zunahm. Was nun folgte war ein Klinikaufenthalt und letztendliches die Diagnose Zöliakie.

Wir mussten die Ernährung von Junior – als er 16 Monate alt war – komplett umstellen. Ein paar Wochen später hört er zum ersten Mal, seit er feste Nahrung zu sich nahm, von alleine auf zu Essen. Ohne dabei zu weinen. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel. Nach und nach normalisierte sich zunächst sein Essverhalten, dann unser Umgang mit Mahlzeiten und Essen und zum Schluss sein Gewicht.

Irgendwann war es dann soweit, dass er Nahrungsmittel von sich aus ablehnte. Tja – und das ist bis heute so geblieben. Er verweigert meist zuverlässig das glutenfreie Brot (Was ich sehr gut verstehe). Aktuell bevorzugte Lieblingsessen sind Kartoffelbrei (am Besten jetzt aber ohne Gemüse), Nudeln – auch die am liebsten ohne Soße – Obst in rauen Mengen, Ofenkürbis und alle süßen Speisen wie Milchreis usw.
Tja und jetzt? Ist mir das nach dem ganzen Nahrungs- und Essenstheater eigentlich egal. Das ich diesen Satz einmal schreibe, damit hätte ich NIE gerechnet. Aber ich denke tatsächlich das er sich das holt, was er braucht. Und wenn er eine Nudelphase hat, dann soll er  Nudeln essen. Ich biete ihm gesunde Dinge dazu an. Wenn er sie annimmt, dann freue ich mich. Ist das nicht der Fall, dann ist das so. Ohne dass ich mir darüber meinen Kopf zerbreche. Wir arbeiten viel in der Küche gemeinsam. Er darf mithelfen, waschen, putzen, schneiden,….Es gibt jeden Tag Obst bei uns – meistens nimmt er sich – manchmal aber auch nicht. Gemüse ist aktuell wirklich schwierig – mit Ausnahme des Kürbis (hier gab es aber diese Woche unseren letzten) aber es stört mich nicht. Nicht weil ich mir keine Gedanken mache – nein – überhaupt nicht. Sondern einfach weil ich so unheimlich froh bin, dass mein Kind nicht mehr alles Essen mag. Hört sich paradox an – ja. Es ist aber so.

Essen soll hier wieder Freude bereiten und nicht nur zur Nahrungsaufahme dienen. Ich möchte Junior nun in seinem Körpergefühl bestärken und er soll und darf entscheiden, was sein Körper braucht. Manchmal sind das mehr Kohlehydrate, manchmal mehr Proteine. Alles zu seiner Zeit. Klar Zucker und Fett gehen immer, das ist aber auch evolutionär bedingt – um sich für schlechte Zeiten zu wappnen.  Deswegen gehe ich tatsächlich davon aus, dass ein entspannter Umgang mit dem Thema und eine abwechslungsreiche Nahrungsmittelauswahl alles ist, was eine Familie braucht. Kinder essen, wenn sie Hunger haben.   Und wisst ihr was dazu kommt.

Das ist dieser Erfahrung:

Im Januar gab es bei uns viele Litschis zu Hause. Ich aß meine und Junior wollte probieren. Er biss ein Stück ab und spuckte sie gleich wieder aus: „Ihhhh“
Am nächsten Tag das selbe. So ging das Ganze über 10 Tage. Am 10 Tag sagte Junior: „mhhh. Is will bitte noch.“ Und er fünf Stück. Danach waren sie leer. Als er seinen Papa sah meinte er: „Papa, mir müsse Lidis daufen. Danz schnell. Die sind so gut und is hab sie alle leer dedessen“

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Es ist also wohl wirklich etwas dran, an der These, das Kinder Lebensmittel bis zu 7 x probieren müssen um festzustellen, dass sie ihnen vielleicht doch schmecken.
Dieser Beitrag ist entstanden, da die liebste Mama on the Rocks eine Blogparade zum Thema #MissonFood4kids ins Leben gerufen hat. Und ganz ehrlich. Bevor ich ein Kind hatte, hätte ich mir niemals träumen lassen, dass ich einen Beitrag mit diesem Inhalt schreiben werde. Aber es ist so: Essen für die Kinder ist eine Mission und manchmal vielleicht auch eine Mission Imposilbe.

4 Gedanken zu “Was isst du denn so?

  1. unsere Älteste war ähnlich. Regelmäßig füttern, mindestens alle 2h – dann kamen wir einigermassen gut über den Tag. Sie ass immer mehr wie ich, aber nichts süsses und schon gar kein Brot. Am liebsten ass sie Kartoffeln, zur Not auch gekocht, kalt, und mit Pelle. Seit ihrer Diagnose mit 10 Jahren hat sich auch ihr Essverhalten verändert. Dauerte allerdings etwas, schliesslich musste das Kind ja erst mal wachsen – was sie auch ausgiebig und gründlich tat. Mittlerweile isst sie normale Mengen, und glutenfreies Brot mag sie inzwischen auch. Entweder sie hat sich daran gewöhnt oder ich hab die Herstellung verbessert.

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  2. Ein äusserst spannender Beitrag zur Blogparade, der zeigt, dass sogar trotz Krankheit am Ende die Zuversicht zählt: Das Kind holt sich, was es braucht. Toll, wie ihr das gemeistert habt, das war bestimmt nicht einfach und sicher sehr nervenaufreibend. Meine Hochachtung dafür!
    LG
    Séverine

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